Sonntag, 21. Dezember 2014

12



Ich atme tief aus. Ein so qualvolles stöhnen, dass ich selbst schon lange nicht mehr hören kann. Keiner da der mich hört. Keine Worte um diese Last zu formulieren. Kein Ende in Sicht.


An diesem Punkt der Verzweiflung fließt der Alkohol in rauen Mengen, der Wunsch nach Betäubung ist stärker als die Vernunft. Ich versuche mich abzulenken. Der Weg führt wie schon so oft auf die sündige Meile. Ich halte mich an meinem Glas fest; suche Deine Blicke. Doch Du siehst mich nicht. Mein Blick, so starr wie bei einem, auf der Landstraße vom Lichtkegel erfasstem Reh. Stumpf stoße ich an den lachenden Menschen an. Kurz vor der Besinnungslosigkeit empfängt mich Deine Umarmung. Ein Flüstern. Ein Wispern. Heißer Atem an meinem Ohr. Feuchte Küsse auf meinen Lippen. Bevor mich die Dunkelheit in ihre Arme schließen kann, zieht mich Deine Hand aus der Hitze. Unter dem klaren Nachthimmel fällt es mir schwer das Gleichgewicht zu halten. Meine Adresse kenne ich noch. Hitze. Begierde. Kurzes Aufflammen von Leidenschaft. Ein wohliges Gefühl. Für den Moment scheint alles perfekt. Doch der Morgen kommt schneller als erhofft. Ich höre noch das klappen der Tür. Müde schließe ich die Augen.


"Ich hab erst mal so getan, als ob es nicht interessiert,
doch schon beim zweiten traurigen Lied hab ich kapituliert.
Ich bin raus unter Leute, hab andere Augen angelacht, (...)"



aus Nichts geht mehr von Johannes Oerding

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